Die Unterbringung in überfüllten Notunterkünften, die Angst um Verwandte und Freund*innen, der Verlust der Heimat, ein langwieriges Asylverfahren und das Gefühl, ausgeliefert zu sein, sowie die Furcht vor Rückführungen in das Herkunftsland – dies sind nur wenige Aspekte, die die Erleichterung über die Ankunft oft in den Hintergrund treten lassen.
ANKUNFT IN
EUROPA UND
DEUTSCHLAND:
ANTRAG, VERTEILUNG,
VERFAHREN, INTEGRATION ,
RÜCKFÜHRUNGEN
Auch mit der Ankunft in Europa und Deutschland ist die traumatische und belastende Fluchterfahrung von Migrant*innen keineswegs vorbei.
DUBLIN-VERFAHREN
Verfahren zur Bestimmung des zuständigen EU-Mitgliedsstaats: i.d.R. Einreisestaat
Ursprüngliche Absicht: ein Antrag pro Person, klar geregelte Zuständigkeit der Staaten
„VERTEILUNG“ IN
DER EUROPÄISCHEN UNION
FEHLEN EINES SYSTEMATISCHEN
MECHANISMUS ZUR VERTEILUNG AUF
DIE EU-STAATEN
Starke Überforderung der Mitgliedsstaaten im Süden: Griechenland, Zypern, Malta
Folge: irreguläre, europäische Binnenmigration v.a. nach Deutschland und Frankreich
Ablehnende Haltung osteuropäischer Staaten gegenüber Asylbewerber*innen
Faktisches Scheitern des Dublin-Verfahrens
PERSPEKTIVEN
UND LÖSUNGSANSÄTZE
„Ich habe nie wirklich verstanden, warum Dublin mit der einfachen Gleichung begann: Wo ein Migrant zuerst europäischen Boden betritt, muss er oder sie bleiben. Die Migration findet auf dem See- oder Landweg statt. Wir können nur dann stabile Außengrenzen haben, wenn wir den Mitgliedstaaten, die aufgrund ihrer Position auf der Karte dem größten Druck ausgesetzt sind, genügend Hilfe leisten. Wir müssen Dublin reformieren, um mehr Fairness und Lastenverteilung zu erreichen.“
Ursula von der Leyen, 19.07.2019
DIE ROLLE DER KOMMUNEN
Städte und Gemeinden sind seit jeher das Ziel von Migrationsbewegungen. Es liegt daher in ihrem ureigenen Interesse mitzubestimmen, wie Einwanderung geregelt und das Zusammenleben einer vielfältigen Gesellschaft organisiert werden kann.
Städte und Kommunen haben durchaus Spielräume in der Migrationspolitik, die sie nutzen und sich dabei teilweise sogar gegen migrationspolitische Entscheidungen ihrer Nationalstaaten stellen. Dazu treten sie beispielsweise Städtenetzwerken wie EUROCITIES, Solidarity Cities oder Vereinigungen wie Seebrücke bei.
Die Städte rufen die EU und ihre Mitgliedsstaaten zudem öffentlich dazu auf, das Dublin-Verfahren zu überarbeiten und Kommunen aktiv an Entscheidungsprozessen zu Resettlement-Quoten und finanzieller Unterstützung sowie an der Konzeption von Rückkehrprogrammen zu beteiligen.
ABLAUF DES
ASYLVERFAHRENS
VERTEILUNG
Nach der Aufnahme in einer Erstaufnahmeeinrichtung im nächstgelegenen Bundesland erfolgt die weitere Verteilung auf die Länder über das Quotensystem des „Königsteiner Schlüssels“.
Dessen Bemessung erfolgt nach Steuereinnahmen und Bevölkerungszahl.
Die konkrete Zuweisung auf einzelne Einrichtungen hängt ab von den jeweiligen Kapazitäten und dem Heimatland der Asylsuchenden, da sich jede Außenstelle des BAMF auf verschiedene Herkunftsländer spezialisiert.
DIE ANHÖRUNG
Es ist ratsam, eine ausführliche
Anhö- rungsvorbereitung in
Anspruch zu nehmen!
Herzstück des Asylverfahrens, da die angefertigte Niederschrift über die Anhörung der Entscheidung über den Asylantrag zugrunde liegt.
„Der Ausländer muss selbst die Tatsachen vortragen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden Schadens begründen, und die erforderlichen Angaben machen.“ (§25 Abs. 1 S. 1 AsylG)
Es genügt die Glaubhaftmachung, also der plausible Vortrag eines individuellen Verfolgungssachverhaltes in Form einer lebendigen und detailreichen Schilderung, die im Einklang mit allgemeinen Informationen aus dem Herkunftsland steht und weder durch innere Widersprüche noch durch suspekte Steigerungstendenzen in Frage gestellt wird.
Einreichung etwaiger Beweismittel (Dokumente, Fotos, Atteste, u.ä.)
Anwesend: Antragsstellende*r, Anhörer*in, Dolmetscher*in sowie ggf. Vormund, Vertrauensperson, Anwalt / Anwältin, Vertreter*in des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen.
Anhörungssimulation, Refugee Law Clinic Erlangen-Nürnberg e. V.
PRÜFUNGS-
MASSSTÄBE
IM ASYLVERFAH-
ren
Das nationale Flüchtlingsrecht wird von Völker- und Europarecht überlagert.
Dementsprechend wird im Asylverfahren neben der Asylberechtigung auch die Zuerkennung internationalen Schutzes geprüft. Dieser beinhaltet zweierlei: Vorrangig den Flüchtlingsschutz durch Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), nachrangig den sog. subsidiären Schutz. Zusätzlich hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) das Vorliegen nationaler Abschiebeverbote zu prüfen.
ASYL-BERECHTIGUNG,
ART. 16A GG
„Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“(Art. 16a Abs. 1 GG)
Starke Orientierung am Flüchtlingsbegriff der GFK, jedoch mit restriktiven Abweichungen in wesentlichen Punkten
Ausschluss bei Einreise aus sicherem Drittstaat (Art. 16a Abs. 2 GG)
Aufgrund deutlich restriktiverer Voraussetzungen bei gleichzeitig identischen Rechtsfolgen kommt dem Asylgrundrecht neben der Flüchtlingseigenschaft praktisch keine eigenständige Bedeutung zu.
FLÜCHTLINGS-
EIGENSCHAFT, § 3 FF. ASYLG
Flüchtling ist, wer sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet.
Ausschluss bei innerstaatlicher Fluchtalternative oder bei tauglichen Schutzakteuren im Herkunftsland
Sichere-Drittstaaten-Regelung vergleichbar zu Art. 16a Abs. 2 GG besteht nicht
Umsetzung völker- und europarechtlicher Verpflichtungen (GFK, Qualifikationsrichtlinie)
SUBSIDIÄRER
SCHUTZSTATUS, § 4 ASYLG
Wenn im Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht, durch:
Die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe
Folter oder unmenschliche / erniedrigende Behandlung / Bestrafung
Eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit im Rahmen eines bewaffneten Konflikts
Umsetzung europarechtlicher Verpflichtungen (Qualifikationsrichtlinie)
NATIONALE
ABSCHIEBUNGSVERBOTE ,
§ 60 ABS. 5 / 7 AUFENTHG
Wenn die Abschiebung eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtkonvention bedeutet (Abs. 5) oder
Im Zielstaat erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht (Abs. 7)
positive
entscheidung
Verlängerung
möglich
um jeweils 2 Jahre
möglich
Verlängerung
möglich
zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit
Jahres nach Erteilung der Aufenthaltserlaubnis
3 Jahren, Vorausset-
zungen u.a.:
Voraussetzungen u.a.:
schen Sprache (C1)
Sicherung des
Lebensunterhalts
gesetzlichen Rentenversicherung oder
Anspruch auf vergleichbare Leistung
rung des Lebensunter-
halts und Kenntnissen der Sprache (A2)
der deutschen Sprache (B1)
flüchtlingseigenschaft
Schutz
Abschiebungsverbote
kurs
Niederlassungserlaubnis
negative
entscheidung
Entscheidung
60A-D aufenthg
§ 60b Aufenthg
nen selbst zu verantworten haben wie z.B.: Täuschung über eigene Identität, unzureichende Mitwirkung des/der Geflüchteten im behördlichen Verfahren, abge-laufener Pass
les Arbeitsverbot, Wohnsitz-
auflagen, mögliche Inhaftie-
rung bei Abschiebung, Bußgeld
und politisch nicht gewollt
der Abschiebungsvollziehung aufgrund eines Ausbildungsvertrages
– Beginn der Ausbildung: während oder nach dem Asylverfahren
nach § 18a AufenthG möglich
§ 60d Aufenthg
– zwölfmonatige Duldung aufgrund anderer Tatbestände (also nach §§ 60a, 60c AufenthG) vonnöten
– über achtzehn Monate mind. 35 Wochenstunden Beschäftigung
– der Lebensunterhalt muss gesichert sein
– Sprachniveau A2
– bei verpflichtetem Integra-tionskurs muss dieser erfolgreich absolviert worden sein
Asylbewerber*innen das Land, als eigentlich
„ausreisepflichtig“ wären (22.691 im Jahr 2019).
Union: Unterstützung von Rückkkehrer*innen in der Anfangsphase durch Sachleistungen und Hilfe bei Existenzgründung
von neun deutschen Bundesländern: Beratung
und finanzielle Unterstützung
Internationalen Organisation für Migration (IOM): Übernahme der Reisekosten + „Starthilfe“ im Herkunftsland (300–500€)
Rückkehrer*innen (Ersparnisse oft für Flucht aufgebraucht, gesellschaftliche Außenseiter-Stellung im Herkunftsland)
die Rückkehrprogramme durch das Corona-Virus COVID-19
nicht umgesetzt werden.
ABLEHNUNG
DES ASYLANTRAGS
Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wird, müssen Deutschland innerhalb kurzer Zeit verlassen.
Sie sind dann ausreisepflichtig. Reisen sie nicht innerhalb einer festgelegten Frist freiwillig aus und liegen weder Hinderungsgründe (z.B. Krankheit) noch eine Duldung vor, muss die Ausländerbehörde sie abschieben. Das ist Aufgabe der Bundesländer, die dabei oftmals mit der jeweiligen Landespolizei und der Bundespolizei zusammenarbeiten.
ABSCHIEBUNGEN
Zuständigkeit für Abschiebungen liegt bei den Bundesländern
Verantwortliche Ausländerbehörde überprüft Vorliegen eines Abschiebungshindernisses und legt den Termin fest
Mögliche Inhaftnahme bei erheblicher Fluchtgefahr
Einzel- oder Sammelabschiebungen
Operative Durchführung durch die Landes- und Bundespolizei
Seit 2015: von den geplanten Rückführungen bleibt erfahrungsgemäß ca. die Hälfte erfolglos
Größte Anzahl der Abschiebungen scheitert vor Übergabe an die Bundespolizei
Die Zahl der Abschiebungen ist wegen der Corona-Pandemie rückläufig
REAKTION AUF
SCHWIERIGKEITEN
BEI ABSCHIEBUNGEN
DAS „GEORDNETE-RÜCKKEHR-GESETZ“:
Bessere Unterscheidung der Ausreisepflichtigen danach, ob das Ausreisehindernis unverschuldet oder selbstverschuldet ist
Absenkung materieller und formaler Voraussetzungen für die Sicherungshaft
Ausweitung der Vorbereitungshaft auf Gefährder*innen und Terrorverdächtige
Mitwirkungshaft: Betroffene können aus Haft heraus identifiziert werden
Ausreisegewahrsam: Minderung der Fluchtgefahr
Aussetzen des Trennungsgebots von Abschiebungs- und Strafgefangenen
Ausweisungsschutz für Straftäter*innen wird herabgesenkt
Verstärkte Maßnahmen gegen Intensivstraftäter*innen
SCHARFE KRITIK U.A. VON PRO-ASYL:
Gleichbehandlung von Ausreisepflichtigen und Straftäter*innen durch gemeinsame Unterbringung
Ausschluss von Flüchtlingen von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben
Völlig unverhältnismäßige Sanktionen